Gleichung einer Geraden
Parameterform
Wir werden uns jetzt anschauen, wie eine Gerade mit Hilfe der Vektorgeometrie beschrieben werden kann. Die Vektorgeometrie ist hier besonders stark, weil sie leicht von der zweidimensionalen Welt in die dreidimensionale Welt erweitert werden kann, d.h. wir werden hier lernen Geraden im Raum zu beschreiben.
Als Erstes sollten wir uns daran erinnern, was eine Gerade eigentlich ist. Es ist eigentlich eine Reihe von unendlich vielen Punkten mit einer bestimmten mathematischen Eigenschaft, die macht, dass sie alle auf einer geraden Linie zu liegen. Die Punkte ,
,
und
sind ein paar Beispiele davon.
Unser Ziel ist die mathematische Beschreibung aller Punkte auf der Geraden . Der erste Punkt
kann einfach beschrieben werden. Wir kennen seine Koordinaten
und somit erreichen wir den Punkt einfach durch den Ortsvektor
:
Jetzt schauen wir uns den zweiten Punkt an. Natürlich könnten wir den auch über die Koordinaten von
definieren. Wir wählen aber einen anderen Weg, der vielleicht jetzt ein bisschen umständlich aussieht, dessen Nutzen wir aber gleich anschliessend erkennen werden:
Den Vektor haben wir bereits. Den anderen Vektor
erhalten wir folgendermassen:
Wie erreichen wir den Punkt ? Da
auf der Geraden liegt, müssen wir nur in
auf die Gerade gehen und von da an uns in der Richtung der Geraden uns bewegen. Dieses Richtung gibt uns der Vektor
vor. Wir haben mit
einen Startpunkt auf der Geraden und mit
einen Vektor, der die Richtung der Geraden vorgibt. Den Punkt
erreichen wir jetzt, wenn wir den Vektor
dreimal addieren:
Wir führen die Rechnung aus und kontrollieren, ob die erhaltenen Koordinaten, denjenigen von entsprechen:
Tatsächlich hat der Punkt die Koordinaten
. Schliesslich ermitteln wir die Koordinaten des Punkts
, indem wir, ausgehend von
zweimal den Vektor
subtrahieren oder das
-fache addieren:
Somit hat der Punkt die Koordinaten
, was wir im Koordinatensystem oben bestätigen können. Jetzt können wir die Sache verallgemeinern und sagen, dass wir vom Punkt
ausgehend, alle Punkte der Geraden
erreichen können, indem wir ein Vielfaches (und dazu nehmen wir einfach den Faktor
) von
addieren. Der Vektor
zeigt in Richtung von
und alle Vielfachen somit auch. Sie sind aber beliebig kurz oder lang. Damit lassen sich alle Punkte von
in einer Richtung der Geraden
erreichen. Für die entgegengesetzte Richtung brauchen wir nur ein negatives Vielfaches (
).
Alle Punkte einer Geraden
mit den beiden Punkten
und
kann beschrieben werden durch eine Vektorgleichung, eigentlich ein Gleichungssystem von drei Gleichungen, je eine Gleichung pro Koordinate.
Gleichung der Geraden in Parameterform
in Komponentenschreibweise:
Der Vektor verläuft parallel zur Geraden
, d.h. er verkörpert die Richtung der Geraden, weshalb ich ihn Richtungsvektor der Geraden nenne.
Der reelle Parameter (positiv oder negativ) bestimmt, welchen Punkt
von
aus erreicht wird, denn wir addieren einen mit
gestreckten Richtungsvektor
zum Ortsvektor von
.
Beispiel
Gegeben ist die folgende Geradengleichung für . Überprüfe, ob die Punkte
und
auf der Geraden
sind oder nicht.
Wenn auf der Geraden ist, dann gibt es ein
für welches wir die Geradengleichung aufstellen können, d.h. wir müssen einfach das
finden und überprüfen, ob mit diesem der Punkt
erreicht werden kann. Wir stellen deshalb die Geradengleichung auf und setzen sie gleich mit dem Ortsvektor des Punkts
:
Jetzt schauen wir uns die Komponenten der Vektoren einzeln an, d.h. wir erhalten drei Gleichungen. Eine für die -Komponente, eine für
– und eine für die
-Komponente:
Aus der ersten Gleichung erhalten wir sofort die Lösung . Setzen wir diese Lösung in der zweiten und dritten Gleichung ein, so sehen wir, dass diese alle schön erfüllt sind:
Damit liegt der Punkt tatsächlich auf der Geraden
und vom Startpunkt
aus, den wir aus der Geradengleichung ablesen können, mit dem Faktor
zu erreichen. Jetzt gehen wir gleich vor für den Punkt
:
Wieder erhalten wir aus der ersten Gleichung den Wert für : Dieses Mal beträgt er
. Wir setzen diesen Wert in die beiden anderen Gleichungen ein…
Die Gleichung der -Komponente ist erfüllt, aber die Gleichung der
-Komponente nicht! Der Punkt
kann die Geradengleichung nicht erfüllen und liegt deshalb nicht auf der Geraden
!
Normalform
Wir können in zwei Dimensionen eine Gerade auch durch einen Normalvektor beschreiben, der senkrecht auf der Geraden steht. Durch den Vektor kriegen wir die Richtung der Geraden. Zusätzlich brauchen wir noch einen Stützvektor
, der vom Ursprung zu einem Punkt
auf der Geraden zeigt. Damit ist die Gerade vollständig beschrieben.
Für den Normalvektor gilt die Forderung, dass er senkrecht zu einem Vektor liegt, der eine Verbindung vom Punkt
zu einem beliebigen Punkt
auf der Geraden
gibt. Senkrecht aufeinander stehende Vektoren haben ein verschwindendes Skalarprodukt, d.h.
Der Vektor ist eigentlich die Differenz der Ortsvektoren von
und
:
Wir setzen das in die Vektorgleichung ein und erhalten:
Die beiden Ortsvektoren haben als Komponenten die Koordinaten der Punkte, auf welche sie zeigen, d.h. für den Punkt :
Das Gleiche machen wir für den Punkt , allerdings wählen wir eine leicht andere Schreibweise:
Der Grund ist der: Der Punkt ist fix auf der Geraden und ist unser Stützpunkt. Dieser gibt uns den Anfang vom Ursprung aus. Der Punkt
steht stellvertretend für alle Punkte auf der Geraden. Die Gerade ist ja eine Punktschar mit unendlich vielen Punkten. Das sind alles
-Punkte. Wir setzen deshalb die ganz allgemeine Variable
für die
-Koordinate auf der Geraden und
für die
-Koordinate.
Jetzt schreiben wir die Vektorgleichung in Komponentenschreibweise nochmals hin:
Wir führen das Skalarprodukt aus, indem wir das Produkt der beiden Komponenten bilden, dann das Produkt der beiden
Komponenten dazu addieren und schliesslich das Produkt der beiden
Komponenten addieren. Die Summe der drei Produkt muss null ergeben:
Die Normalform einer Geraden (in zwei Dimensionen) wird ausgedrückt mit dem Stützvektor , der zum Startpunkt
auf der Geraden zeigt und dem Normalvektor
, der senkrecht zur Geraden
steht. Die Gleichung gilt für alle Punkte
auf der Geraden:
In Komponentenschreibweise erhalten wir die Normalform der Gerade , wobei
und
die Koordinaten der Punkte
sind, die auf der Geraden liegen:
Beachte, dass die Normalform in drei Dimensionen eine Ebene und nicht eine Gerade beschreiben würde. Senkrecht zu einem Normalvektor ist in drei Dimensionen ja eine ganze Ebene. Erst durch das Einschränken auf die zweidimensionale Ebene, d.h. mit der Forderung
, kriegen wir die Gerade, die eigentlich durch den Schnitt der zu
senkrechten Ebene mit der
-Ebene entsteht.
Beispiel
Finde die Normalform der folgenden Geraden :
Aus der Grafik entnehmen wir den Stützvektor und den Normalvektor
, womit wir die Komponenten
,
,
und
erhalten:
Das setzen wir jetzt in die allgemeine Normalform ein und erhalten die folgende Gleichung:
Wenn wir die Gleichung noch etwas ausmultiplizieren und aufräumen, erhalten wir die folgende Gleichung:
Das ist die sog. Koordinatenform, die wir v.a. für Ebenen gebrauchen werden, weniger für Geraden. Wir können diese Gleichung auch nach auflösen und erhalten die allgemeine Form einer Geraden:
Hier erkennen wir die Funktionsgleichung einer linearen Funktion mit Steigung und Achsabschnitt
.