Exponentielles Wachstum

Das exponentiellen Wachstum ist besonders, weil es das grösste Wachstum überhaupt ist. Interessanterweise ist es am Anfang noch relativ unspektakulär. Irgendwann «explodiert» es förmlich und lässt alle anderen Funktionen hinter sich. Exponentielles Wachstum kommt sehr viel vor, typischerweise in der Biologie, wo wir von exponentiellem Wachstum bei der Zellteilung oder bei Bakterienkulturen reden. Der Grund dafür liegt an einer besonderen Eigenschaft, die andere Formen des Wachstums nicht haben. Wir schauen uns das nachfolgend genauer an am Beispiel einer linearen Funktion, einer quadratischen Funktion und einer Exponentialfunktion:

PunktABCDEFGHI
Zeit t (in s)123456789
Lineare Funktion1357911131517
\Delta+2+2+2+2+2+2+2+2
Quadratische Funktion149162536496481
\Delta+3+5+7+9+11+13+15+17
Exponentialfunktion1248163264128256
\Delta+1+2+4+8+16+32+64+128

Alle drei Funktionen starten bei 1 und wachsen unterschiedlich schnell an. Die Zeile \Delta zeigt uns, um wie viel der Funktionswert von Punkt zu Punkt zunimmt.

Bei der linearen Funktion kommt jedes Mal der gleiche Wert hinzu, d.h. der Funktionswert nimmt jeweils, mit jeder Sekunde, um +2 zu. Es ist die Wachstumsrate, die Zunahme pro Zeit. Bei der linearen Funktion ist die Wachstumsrate (oder Steigung) konstant.

Die quadratische Funktion nimmt hier schneller zu, denn die Wachstumsrate \Delta startet bei +3 und nimmt selber linear zu. Somit kommt jedes Mal ein bisschen mehr hinzu. Die quadratische Funktion ist eine Funktion mit linear zunehmender Wachstumsrate. Deshalb wird sie die lineare Funktion immer überholen, selbst dann, wenn wir für die lineare Funktion von Anfang an eine grössere Wachstumsrate wählen. Irgendwann übersteigt die Wachstumsrate der quadratischen Funktion jeden gewählten Wert.

Die Exponentialfunktion, die wir hier anschauen, startet ebenfalls bei 1 und verdoppelt sich mit jedem Schritt. Wenn wir die Wachstumsrate anschauen, sehen wir, dass gleich viel hinzukommt, wie schon da war. Das ist natürlich kein Zufall, denn wir verdoppeln ja. Die Wachstumsrate ist am Anfang noch klein, wird aber dann schnell sehr gross und ist definitiv grösser als die Wachstumsraten der beiden anderen Funktionen.

Im Vergleich der drei Funktionen erkennen wir, dass die lineare Funktion (grün) am langsamsten zunimmt und die Exponentialfunktion (rot) am stärksten. Interessanterweise ist aber die Exponentialfunktion am Anfang die Langsamste! Sie hat die lineare Funktion kurz vor dem Punkt D und die quadratische Funktion (blau) vor dem Punkt G überholt. Am Schluss gewinnt die Exponentialfunktion und lässt beide anderen Funktionen weit hinter sich.

Das exponentielle Wachstum ist am Anfang sogar sehr langsam, irgendwann «explodiert» aber das exponentielle Wachstum förmlich und wird zum stärksten Wachstum überhaupt. Das exponentielle Wachstum hat dadurch die höchste Mächtigkeit.

Die Wachstumsrate (Steigung) des exponentiellen Wachstums wächst selber auf exponentielle Art, denn sie hängt vom Funktionswert ab. Das ist die zentrale Eigenschaft des exponentiellen Wachstums: Die Wachstumsrate hängt von der Funktion selber ab.

Die zentrale Eigenschaft des exponentiellen Wachstums ist auch der Grund, warum exponentielles Wachstum so weit verbreitet ist:

  • Biologie: Die Anzahl neuer Zellen/Bakterien hängt ab von der Anzahl bestehender Zellen/Bakterien, die die Neuen produzieren.
  • Finanzmathematik: Die Zinserträge sind abhängig von der Höhe des Kapitals, das diese abwirft.
  • Physik: Die Anzahl freier Neutronen, die Urankerne spalten können, ist abhängig von der Anzahl Urankerne, die gespalten worden sind. (Kettenreaktion)

Etwas weniger bekannt ist der exponentielle Zerfall, der z.B. in der Physik sehr oft vorkommt (radioaktiver Zerfall, Abkühlung, Entladung Kondensator).

Wenn wir nochmals das Beispiel oben anschauen, sehen wir, dass die Zahlenwerte der Exponentialfunktion die Zweierpotenzen sind. Wir können die Funktionsgleichung aufstellen:

    \[ f(t) = 2^t \]

Mit jeder Erhöhung von t um eins, verdoppelt sich der Funktionswert oder es kommt genau so viel dazu, wie es schon hat.

Exponentialfunktionen haben das Argument im Exponenten der Basis a:

    \[ f(x) = a^x \]

Die Basis a darf nicht eins sein (a \neq 1) und muss positiv sein (a > 0 bzw. a \in \mathbb{R}^+). Die Exponentialfunktion akzeptiert aber alle Werte für ihr Argument: x \in \mathbb{R}

Für das exponentielle Wachstum ist die Basis a>1

Bei einer Basis 0 < a < 1 sprechen wir von exponentiellem Zerfall

Beachte: Am Anfang ist der Unterschied nicht so klar zwischen einer Exponentialfunktion und einer Potenzfunktion, denn auch die Exponentialfunktion ist ja eine Potenz. Das Argument x ist bei der Exponentialfunktion im Exponenten. Die Potenzfunktion (z.B. f(x)=x^3) hat das Argument x in der Basis der Potenz.

Jetzt schauen wir uns den Verlauf der Exponentialfunktion an. Der Computer liefert uns den folgenden Plot:

Die Punkte A, B, C und D aus der Tabelle liegen tatsächlich auf der Kurve. Die Punkte E, F, G, H und I ebenfalls, jedoch liegen sie weiter oben.

Der Punkt A ist der Wichtigste, denn er ist allen Exponentialfunktionen gemeinsam:

    \[ f(x) = a^x \quad \rightarrow \quad a^0 = 1 \quad (\forall a \in \mathbb{R}^+, \; a \neq 1 )\]

Egal welche Basis a wir haben, an der Stelle x=0 erhalten wir immer den Funktionswert 1, d.h. alle Exponentialfunktionen mit allen möglichen Basen verlaufen durch den Punkt A(0,1).

Rechts von A (x>0) haben wir Funktionswerte, die grösser als 1 sind. Links von A (x<0) sind die Funktionswerte zwar alle positiv, aber kleiner als 1.

Der Punkt B(1,2) verrät uns die Basis 2, denn

    \[ f(x) = a^x \quad \rightarrow \quad a^1 = a \]

Funktionswerte der exponentiellen Wachstumsfunktion

Für alle Basen a>1 gilt:

  * 0 < a^x < 1\;\; für \;\;x<0

  * a^x=1\;\; für \;\;x=0

  * a^x > 1\;\; für \;\;x>0

Alle Exponentialfunktionen gehen durch den gemeinsamen Punkt A(0,1).

Der Funktionswert der Exponentialfunktion im Punkt B(1,a) verrät uns die Basis a.

Beispiel

Ein Sparguthaben von CHF 20’000 wird zu einem jährlichen Zins von z=\;5% angelegt. Wie viel beträgt das Guthaben nach 15 Jahren inkl. Zinseszins?


Zu Beginn haben wir K_0 = 20'000. Nach einem Jahr haben wir einen Zins zugut, d.h. zum Anfangskapital K_0 kommt noch K_0 \cdot z hinzu oder wir multiplizieren einfach K_0 mit (1+z):

    \[ K(1) = K_0 \cdot (1 + z) \quad (a)\]

Nach zwei Jahren kommt zu K(1) ein weiterer Zins dazu, d.h. wir benutzen wieder die gleiche Formel, setzen aber (a) für K(1) ein:

    \[ K(2) = K(1) \cdot (1 + z) = \Big ( K_0 \cdot (1 + z) \Big ) \cdot (1+z) = K_0 \cdot (1 + z)^2 \]

Analog erhalten wir:

    \[ K(3) = K_0 \cdot (1 + z)^3 \]

    \[ K(4) = K_0 \cdot (1 + z)^4 \]

Nach 15 Jahren haben wir:

    \[ K(15) = K_0 \cdot (1 + z)^{15} = 20'000 \cdot (1+0.05)^{15} = 20'000 \cdot 2.079 \approx \underline{41'579} \]

Das lange Warten hat sich gelohnt, denn das Kapital hat sich in den Jahren mehr als verdoppelt.

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