Abkling- und Sättigungsfunktion
Abklingfunktion
Mit der Abklingfunktion ist ein exponentieller Zerfall gemeint, der sich einem Grenzwert nähert. Solche Verläufe über die Zeit sind in den Naturwissenschaften und in der Technik sehr verbreitet. Die Abklingfunktion kann aber auch eine Funktion des Ortes sein, z.B. wenn die Temperatur oder die Konzentration eines Stoffs mit zunehmendem Abstand abnimmt.
Es gibt unendlich viele Varianten von Abklingfunktionen. Mit drei Kenngrössen bzw. Informationen wird die Abklingfunktion aber fertig beschrieben:
- Funktionswert beim Start (erster Punkt bei
)
- Grenzwert für
oder zweiter Punkt für
- Abklingrate, d.h. wie schnell das Abklingen ist
Die Abklingfunktion hat die folgende Funktionsgleichung:
Sie wird durch drei Parameter definiert:
- Funktionswert über dem Grenzwert (beim Start):
- Grenzwert für
:
- Zeitkonstante
Die Zeitkonstante wird mit dem griechischen Buchstaben («tau») definiert. Sie ist die Zeit, die verstreichen würde, wenn die Funktion linear abfallen und den Grenzwert erreichen würde (siehe Grafik). Eine andere Definition besagt, dass zum Zeitpunkt
der Funktionswert auf den «
-ten» Teil des Startwerts über Grenzwert gefallen ist, d.h.
noch etwa einen Drittel verbleibend oder um rund zwei Drittel abgeklungen. Wir können uns dem vergewissern, indem wir den Funktionswert am Anfang
mit dem Funktionswert
zum Zeitpunkt
vergleichen:
Für sehr grosse Zeiten nähert sich die Abklingfunktion asymptotisch dem Grenzwert b an, weil die exponentielle Zerfallsfunktion ja gegen null geht:
Beispiel
Eine heisse Tasse Kaffee hat anfangs eine Temperatur von 90°C. Nach 10 min ist der Kaffee nur noch halb so warm, wobei die Raumtemperatur 20°C beträgt. Finde die Abklingfunktion für die Temperatur des Kaffees und berechne, wie lange es braucht, bis der Kaffee zu 90% abgekühlt ist.
Verschaffen wir uns zuerst einen Überblick, über die Information, die wir aus der Aufgabenstellung haben. Wir stellen dazu eine kleine Tabelle auf. Dabei haben wir den Unterschied von 90°C und 20°C als 100% genommen, d.h. 90% entsprechen 63°C Abkühlung von 90°C aus. Die verbleibenden 10% sind dann 7° über dem Grenzwert von 20°C, d.h. 27°C.
Zeitpunkt | 0 | 10 min | ? | |
Temperatur | 90°C | 55°C | 27°C | 20°C |
Die Abklingfunktion lautet:
Wir haben und
. Die Zeitkonstante
erhalten wir, aus der Angabe zur Temperatur nach 10 min. Wir kriegen eine Gleichung mit
als einzige Unbekannte:
Zuerst subtrahieren wir 20 und dividieren dann durch 70:
Jetzt setzen wir die linke und die rechte Seite der Gleichung in den natürlichen Logarithmus, damit wir die Exponentialfunktion loswerden:
Wir können jetzt nach der Zeitkonstanten auflösen und sie berechnen:
Jetzt haben wir die komplette Abklingfunktion:
Um jetzt herauszufinden, wie lange es geht, bis der Kaffee auf 27°C abgekühlt ist, setzen wir einfach die Werte ein und lösen die Gleichung wieder mit den gleichen Tricks nach auf:
Die Temperatur des Kaffees erreicht 27°C nach etwas mehr als 33 Minuten.
Sättigungsfunktion
Die Sättigungsfunktion ist eine leichte Abwandlung der Abklingfunktion in dem Sinne, dass der Funktionswert anwächst. Obwohl es sich um eine Exponentialfunktion handelt, deren Funktionswert zunimmt, sprechen wir hier nicht von exponentiellem Wachstum. Es ist vielmehr ein Unterschied zwischen dem Anfangswert und dem Grenzwert, der mit der Zeit abklingt. So gesehen ist es eben eine abgewandelte Abklingfunktion.
Auch hier gibt es zahlreiche Beispiele aus Naturwissenschaft und Technik. Genau wie die heisse Kaffeetasse, deren Temperatur sich allmählich der Raumtemperatur annähert, würde ein kühles Getränk sich allmählich der Raumtemperatur annähern. Dieses Mal natürlich mit der Sättigungsfunktion. Das kühle Getränk nimmt Wärme von der Umgebung auf, bis es «gesättigt» ist und die gleiche Temperatur aufweist, wie die Umgebung.
Die Sättigungsfunktion hat die folgende Funktionsgleichung:
Sie wird durch drei Parameter definiert:
- Unterschied zum Grenzwert beim Start:
- Grenzwert für
:
- Zeitkonstante
Beispiel
Bei der Mündung eines Stroms in das Meer mischen sich Süss- und Salzwasser. Das Meer hat die Salinität (Massenkonzentration von gelösten Salzen) und das Flusswasser die viel kleinere Konzentration
. Durch Diffusion und Mischströmungen steigt die Konzentration des Flusswassers in der Mündung an und wird durch die Sättigungsfunktion
beschrieben:
Bestimme die charakteristische Wegstrecke , wenn 80% der Konzentrationsunterschiede nach 200 Metern verschwunden sind. Nach wie vielen Metern haben wir zu nur noch 1% Konzentrationsunterschied?
Gemäss Aufgabenstellung haben wir nach 200 Metern, d.h. für eine Konzentration
, die nur noch 20% des ursprünglichen Konzentrationsunterschieds ausmacht. Mathematisch ausgedrückt heisst das:
Andererseits besagt die Sättigungsfunktion an der Stelle :
Wir setzen beides gleich:
Beide Seiten sind gleich, wenn die Faktoren und der exponentielle Teil gleich sind. Es folgt deshalb:
Jetzt wenden wir den Trick an, indem wir die ganze Gleichung in den natürlichen Logarithmus setzen:
Wir erhalten so:
Wir erinnern uns, dass bei dieser charakteristischen Länge, rund zwei Drittel des Unterschieds verschwunden sind, weil hier nur noch der -Teil des ursprünglichen Unterschieds übrig ist. Dieser Wert muss ja kleiner als 200 Metern sein, denn da haben wir ja schon 80% des Unterschieds verloren.
Für die zweite Frage setzen wir die Sättigungsfunktion mit unbekannter Länge auf und setzen sie gleich der Konzentration des Meeres, abzüglich 1% des ursprünglichen Unterschieds zwischen Fluss und Meer.
Durch Einsetzen des Werts für erhalten wir: