Geometrische Reihen (GR)

Endliche geometrische Reihe

Addieren wir laufend die Glieder einer geometrischen Folge, so erhalten wir eine geometrische Reihe. Als Beispiel schauen wir uns nochmals die Dreiecke an, die wir im Zusammenhang mit der geometrischen Folge kennengelernt hatten. Dieses Mal schauen wir uns aber die Flächeninhalte A_i an.

Wir starten mit dem grössten Dreieck, gegeben ist die Hypotenuse h. Die Fläche A_1 ist die Hälfte eines Quadrats mit Seitenlänge \frac{h}{\sqrt{2}} (Anders rum: Die Seitenlänge des Quadrats mit \sqrt{2} multipliziert, muss h ergeben). Für die Fläche A_1 erhalten wir:

    \[ A_1 = \frac{1}{2} \cdot \Bigl ( \frac{h}{\sqrt{2}} \Bigr )^2 =  \frac{1}{2} \cdot \frac{h^2}{2} = \frac{h^2}{4} \]

Die nächste Fläche A_2 ist wieder die Hälfte eines Quadrats mit einer Seitenlänge, die wieder um den Faktor \sqrt{2} kleiner ist, als die Seitenlänge des ersten Quadrats:

    \[ \frac{\quad \frac{h}{\sqrt{2}} \quad}{\sqrt{2}} = \frac{h}{2} \]

    \[ A_2 = \frac{1}{2} \cdot \Bigl ( \frac{h}{2} \Bigr )^2 =  \frac{1}{2} \cdot \frac{h^2}{4} = \frac{h^2}{8} \]

Das zweite Dreieck hat genau die halbe Fläche des ersten Dreiecks. Eigentlich sieht man das auch von Auge: Wenn Sie das zweite Dreieck an seiner Hypotenuse in das erste Dreieck hineinklappen, wird genau die Hälfte des ersten Dreiecks abgedeckt. Mit der gleichen Überlegung folgern wir, dass das dritte Dreieck nochmals die halbe Fläche von A_3 hat usw. Wir haben somit eine geometrische Folge:

    \[ (A_n) = \frac{h^2}{4},  \frac{h^2}{8},  \frac{h^2}{16},  \frac{h^2}{32},  \frac{h^2}{64},  \frac{h^2}{128} \]

Von einem Glied zum Nächsten multiplizieren wir mit dem Faktor q=\frac{1}{2}. Wie viel beträgt die Gesamtfläche der Figur? Es ist natürlich die Summe der Glieder der Folge und somit eine geometrische Reihe. Als erstes werden wir jetzt einfach die 6 Brüche addieren. Wir machen die Brüche gleichnamig und erhalten:

    \[ A = \frac{h^2}{4} + \frac{h^2}{8} + \frac{h^2}{16} + \frac{h^2}{32} + \frac{h^2}{64} + \frac{h^2}{128} \]

    \[ \,\,\,\, = \frac{32 \cdot h^2}{128} + \frac{16 \cdot h^2}{128} + \frac{8 \cdot h^2}{128} + \frac{4 \cdot h^2}{128} + \frac{2 \cdot h^2}{128} + \frac{h^2}{128} \]

    \[ \,\,\,\, = \frac{(32+16+8+4+2+1) \cdot h^2}{128} = \frac{63}{128} \cdot h^2 \]

Damit haben wir die Fläche der Figur berechnet. Was aber, wenn wir die Gesamtfläche der Figur mit 20, 100 oder 1000 Dreiecken berechnen sollten? In so einem Fall können wir die Fläche mit der Formel für die geometrische Reihe berechnen:

Der Wert eines Glieds einer geometrischen Reihe s_n kann aufgrund des Anfangswerts a_1 und dem Faktor q der darunter liegenden geometrischen Folge berechnet werden:

    \[ s_n = a_1 \cdot \frac{q^n - 1}{q - 1}  \quad \text{wobei} \quad q \neq 1 \]

Wir setzen A_1 = \frac{h^2}{4} und q=\frac{1}{2} ein und erhalten für die Summe der 6 Dreiecke:

    \[ s_6 = A_1 \cdot \frac{q^6 - 1}{q - 1} =  \frac{h^2}{4} \cdot \frac{\bigl (\frac{1}{2} \bigr )^6 - 1}{\bigl (\frac{1}{2} \bigr ) - 1} = \frac{h^2}{4} \cdot \frac{1 - \frac{1}{64}}{\frac{1}{2}} = h^2 \cdot \frac{\frac{64-1}{64}}{2} = \frac{63}{128} \cdot h^2 \]

Wir kriegen das gleiche Resultat, hätten hier aber auch locker s_{20}, s_{100} oder gar s_{1000} berechnen können! Ist das nicht verblüffend? Wir können etwas so komplexes, relativ elegant berechnen! Auch wenn das jetzt ein bisschen »magisch» daherkommt, Sie werden gleich sehen, dass die obige Formel relativ einfach hergeleitet werden kann. Auf den Weg muss man zuerst kommen, aber es reicht, wenn Sie die Schritte nachvollziehen können.

Herleitung

Wir betrachten als erstes die ausgeschriebene Summe für s_n:

    \[ s_n = a_1 + a_2 + a_3 + ... + a_n \]

Jetzt ersetzen wir jedes Glied der geometrischen Folge a_i mit der expliziten Definition a_i = a_1 \cdot q^{(i-1)}:

    \[ s_n = a_1 + (a_1 \cdot q) +  (a_1 \cdot q^2) + ... + (a_1 \cdot q^{(n-1)}) \]

Wir klammern a_1 aus und erhalten:

    \[ s_n = a_1 \cdot (1 + q + q^2 + ... + q^{(n-1)}) \]

Jetzt multiplizieren wir die ganze Gleichung mit q, wobei wir auf der rechten Seite die Klammer mit q ausmultiplizieren:

    \[ q \cdot s_n = a_1 \cdot (q + q^2 + q^3 + ... + q^{n}) \]

Jetzt bilden wir die Differenz der beiden vorigen Gleichungen:

    \[ s_n - q \cdot s_n \quad = \quad a_1 \cdot (1 + q + q^2 + ... + q^{(n-1)}) \quad - \quad a_1 \cdot (q + q^2 + q^3 + ... + q^{n}) \]

Links wird s_n ausgeklammert. Rechts packen wir die beiden Klammern zu einer zusammen:

    \[ s_n \cdot (1- q) \quad = \quad a_1 \cdot (1 + \cancel{q} + \cancel{q^2} + \cancel{q^3} + ... + \cancel{q^{(n-1)}} - \cancel{q} - \cancel{q^2} - \cancel{q^3} - ... - \cancel{q^{(n-1)}}- q^{n}) \]

Die meisten Terme in der Klammer heben sich gegenseitig auf. Wir finden ein q, aber auch ein -q, dann gibt es ein q^2, das vom -q^2 aufgehoben wird etc. Übrig bleibt nur der erste (+1) und der letzte Term (-q^n):

    \[ s_n \cdot (1- q) = a_1 \cdot (1 - q^{n}) \]

Wenn wir die Gleichung mit (-1) multiplizieren, erhalten wir

    \[ s_n \cdot (q- 1) = a_1 \cdot (q^{n} - 1) \]

Schliesslich dividieren wir durch (q-1) und fertig, wobei wir einschränken müssen, dass das nur bei q \neq 1 erlaubt ist:

    \[ s_n = a_1 \cdot \frac{q^{n} - 1}{q-1} \]

Unendliche geometrische Reihe

Schauen Sie sich die untenstehende Figur an. Wir beginnen mit einem »L», das \frac{3}{4} eines Quadrats entspricht. Dann legen wir ein genau halb so grosses »L» hinein, d.h. die Fläche des Zweiten ist ein Viertel des ersten »L». Dann wieder und wieder…Sie sehen, dass schon mit 6 solchen »L» haben wir fast die ganze Quadratfläche ausgefüllt, aber es bleibt natürlich immer ein kleines Stückchen oben rechts, das noch nicht ausgefüllt ist. Was passiert, wenn wir bei A_6 nicht stoppen, sondern bis ins Unendliche gehen, d.h. bis A_\infty?

Sie würden vermutlich gleich sagen, dass wir dann die ganze Quadratfläche ausgefüllt haben und das Resultat \frac{4}{3} von A_1 sein muss, da ja A_1 genau \frac{3}{4} vom Quadrat ausmacht. Damit hätten Sie absolut recht. Allerdings sollten Sie trotzdem etwas verblüfft sein…! Ja, denn die Fläche des Quadrats lässt sich schreiben als Summe mit unendlich vielen Summanden:

    \[ A = A_1 + A_2 + A_3 + ... + A_\infty \]

Wir addieren und addieren und addieren und … hören wirklich nie auf…und trotzdem ist das Endresultat, das wir eigentlich gar nie erreichen, eine endliche Zahl, nämlich die Fläche des Quadrats! Angenommen, Sie realisieren ein solches Quadrat im Fach Bildnerisches Gestalten in einer Grösse von 1 m x 1 m und sie bemalen alle »L» mit Acrylfarbe. Es sind unendlich viele Flächen und trotzdem brauchen Sie nur Farbe für einen Quadratmeter.

Der Grund für dieses scheinbare Paradoxons liegt darin, dass Sie zwar unendlich viele Flächen addieren, diese selber aber immer kleiner werden. Sie addieren zwar etwas dazu, aber mit der Zeit so wenig, dass die Summe immer langsamer zunimmt und sie sich so einem endlichen Wert annähert, diesen aber erst in der Unendlichkeit erreicht.

Das ist nur dann der Fall, wenn die einzelnen Glieder der geometrischen Folge von Mal zu Mal kleiner werden und das werden sie nur, wenn der Faktor q<1 ist.

Die Gesamtsumme s_\infty einer unendlichen geometrischen Reihe kann einen endlichen Wert annehmen, wenn der Faktor der geometrischen Folge |q|<1 und die Glieder der Folge damit im Betrag immer kleiner werden:

    \[ s_\infty = \lim_{n \to \infty} s_n = \frac{a_1}{1-q} \quad \text{für} \quad |q|<1 \]

Nehmen wir wieder unser Beispiel mit dem Quadrat. Angenommen, die Quadratfläche beträgt 1\,\text{m}^2. Dann ist die geometrische Folge der Flächen definiert mit dem Anfangswert A_1 = \frac{3}{4}\,\text{m}^2 und dem Faktor q=\frac{1}{4}. Wir setzen diese Werte ein und erhalten:

    \[ s_\infty = \frac{A_1}{1-q} = \frac{\quad \frac{3}{4} \quad}{1 - \frac{1}{4}} = \frac{\quad \frac{3}{4} \quad}{\frac{3}{4}} = 1  \]

Es bestätigt uns, dass die unendliche Summe dem ganzen Quadrat entspricht und somit einer Fläche von 1\,\text{m}^2.

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