Geometrische Reihen (GR)
Endliche geometrische Reihe
Addieren wir laufend die Glieder einer geometrischen Folge, so erhalten wir eine geometrische Reihe. Als Beispiel schauen wir uns nochmals die Dreiecke an, die wir im Zusammenhang mit der geometrischen Folge kennengelernt hatten. Dieses Mal schauen wir uns aber die Flächeninhalte an.
Wir starten mit dem grössten Dreieck, gegeben ist die Hypotenuse . Die Fläche
ist die Hälfte eines Quadrats mit Seitenlänge
(Anders rum: Die Seitenlänge des Quadrats mit
multipliziert, muss
ergeben). Für die Fläche
erhalten wir:
Die nächste Fläche ist wieder die Hälfte eines Quadrats mit einer Seitenlänge, die wieder um den Faktor
kleiner ist, als die Seitenlänge des ersten Quadrats:
Das zweite Dreieck hat genau die halbe Fläche des ersten Dreiecks. Eigentlich sieht man das auch von Auge: Wenn Sie das zweite Dreieck an seiner Hypotenuse in das erste Dreieck hineinklappen, wird genau die Hälfte des ersten Dreiecks abgedeckt. Mit der gleichen Überlegung folgern wir, dass das dritte Dreieck nochmals die halbe Fläche von hat usw. Wir haben somit eine geometrische Folge:
Von einem Glied zum Nächsten multiplizieren wir mit dem Faktor . Wie viel beträgt die Gesamtfläche der Figur? Es ist natürlich die Summe der Glieder der Folge und somit eine geometrische Reihe. Als erstes werden wir jetzt einfach die 6 Brüche addieren. Wir machen die Brüche gleichnamig und erhalten:
Damit haben wir die Fläche der Figur berechnet. Was aber, wenn wir die Gesamtfläche der Figur mit 20, 100 oder 1000 Dreiecken berechnen sollten? In so einem Fall können wir die Fläche mit der Formel für die geometrische Reihe berechnen:
Der Wert eines Glieds einer geometrischen Reihe kann aufgrund des Anfangswerts
und dem Faktor
der darunter liegenden geometrischen Folge berechnet werden:
Wir setzen und
ein und erhalten für die Summe der 6 Dreiecke:
Wir kriegen das gleiche Resultat, hätten hier aber auch locker ,
oder gar
berechnen können! Ist das nicht verblüffend? Wir können etwas so komplexes, relativ elegant berechnen! Auch wenn das jetzt ein bisschen »magisch» daherkommt, Sie werden gleich sehen, dass die obige Formel relativ einfach hergeleitet werden kann. Auf den Weg muss man zuerst kommen, aber es reicht, wenn Sie die Schritte nachvollziehen können.
Herleitung
Wir betrachten als erstes die ausgeschriebene Summe für :
Jetzt ersetzen wir jedes Glied der geometrischen Folge mit der expliziten Definition
:
Wir klammern aus und erhalten:
Jetzt multiplizieren wir die ganze Gleichung mit , wobei wir auf der rechten Seite die Klammer mit
ausmultiplizieren:
Jetzt bilden wir die Differenz der beiden vorigen Gleichungen:
Links wird ausgeklammert. Rechts packen wir die beiden Klammern zu einer zusammen:
Die meisten Terme in der Klammer heben sich gegenseitig auf. Wir finden ein , aber auch ein
, dann gibt es ein
, das vom
aufgehoben wird etc. Übrig bleibt nur der erste (
) und der letzte Term (
):
Wenn wir die Gleichung mit multiplizieren, erhalten wir
Schliesslich dividieren wir durch und fertig, wobei wir einschränken müssen, dass das nur bei
erlaubt ist:
Unendliche geometrische Reihe
Schauen Sie sich die untenstehende Figur an. Wir beginnen mit einem »L», das eines Quadrats entspricht. Dann legen wir ein genau halb so grosses »L» hinein, d.h. die Fläche des Zweiten ist ein Viertel des ersten »L». Dann wieder und wieder…Sie sehen, dass schon mit 6 solchen »L» haben wir fast die ganze Quadratfläche ausgefüllt, aber es bleibt natürlich immer ein kleines Stückchen oben rechts, das noch nicht ausgefüllt ist. Was passiert, wenn wir bei
nicht stoppen, sondern bis ins Unendliche gehen, d.h. bis
?
Sie würden vermutlich gleich sagen, dass wir dann die ganze Quadratfläche ausgefüllt haben und das Resultat von
sein muss, da ja
genau
vom Quadrat ausmacht. Damit hätten Sie absolut recht. Allerdings sollten Sie trotzdem etwas verblüfft sein…! Ja, denn die Fläche des Quadrats lässt sich schreiben als Summe mit unendlich vielen Summanden:
Wir addieren und addieren und addieren und … hören wirklich nie auf…und trotzdem ist das Endresultat, das wir eigentlich gar nie erreichen, eine endliche Zahl, nämlich die Fläche des Quadrats! Angenommen, Sie realisieren ein solches Quadrat im Fach Bildnerisches Gestalten in einer Grösse von 1 m x 1 m und sie bemalen alle »L» mit Acrylfarbe. Es sind unendlich viele Flächen und trotzdem brauchen Sie nur Farbe für einen Quadratmeter.
Der Grund für dieses scheinbare Paradoxons liegt darin, dass Sie zwar unendlich viele Flächen addieren, diese selber aber immer kleiner werden. Sie addieren zwar etwas dazu, aber mit der Zeit so wenig, dass die Summe immer langsamer zunimmt und sie sich so einem endlichen Wert annähert, diesen aber erst in der Unendlichkeit erreicht.
Das ist nur dann der Fall, wenn die einzelnen Glieder der geometrischen Folge von Mal zu Mal kleiner werden und das werden sie nur, wenn der Faktor ist.
Die Gesamtsumme einer unendlichen geometrischen Reihe kann einen endlichen Wert annehmen, wenn der Faktor der geometrischen Folge
und die Glieder der Folge damit im Betrag immer kleiner werden:
Nehmen wir wieder unser Beispiel mit dem Quadrat. Angenommen, die Quadratfläche beträgt . Dann ist die geometrische Folge der Flächen definiert mit dem Anfangswert
und dem Faktor
. Wir setzen diese Werte ein und erhalten:
Es bestätigt uns, dass die unendliche Summe dem ganzen Quadrat entspricht und somit einer Fläche von .